Kult(o)ur - Wahrnehmung auf Reisen
Auf Reisen gerät unsere gewohnte Wahrnehmung in Bewegung: Deshalb ist das Unterwegssein seit Jahrhunderten eine wichtige Inspirationsquelle für Künstler:innen und Gestalter:innen. In den letzten Jahrzehnten sind wir zudem alle noch mobiler denn je unterwegs - ob analog oder digital. Kulturen waren zwar noch nie etwas Statisches, aber der Austausch ist heute durch die neuen (sozialen) Medien noch schneller geworden. Gleichzeitig werden in Zeiten der Pandemie wie des Klimawandels neue Fragen bzgl. unserer Reisesehnsucht, Reisemotivation und Reisemittel aufgeworfen. Im Modul «Kult(o)ur – Wahrnehmung auf Reisen» setzten wir uns mit Fragen der Fremd- und Selbstwahrnehmung im Rahmen unserer Studienreise nach Palermo auseinander. Dass wir im Mai wieder nach zweijähriger Pause zusammen ins Ausland reisen und uns von der sizilianischen Stadt unmittelbar inspirieren lassen konnten, war für alle eine bereichernde und herausfordernde Erfahrung.
Zur Vorbereitung machten sich die Studierenden im ersten Modulblock in einem Workshop mit verschiedenen Methoden der Vorort-Recherche und der Reiseaufzeichnung bekannt und erprobten deren praktische Umsetzungen mittels Übungen. Zusätzlich setzten sie sich in einer kulturgeschichtlichen Tour d’Horizon mit der Geschichte und Aktualität des Reisens auseinander und reflektierten die unterschiedlichsten Imaginationsräume, die Fremd- und Eigenwahrnehmungen des Südens, die u.a. durch die Künste, durch Reiseliteratur und Werbung, aber auch durch persönliche Erfahrungen und Sehnsüchte geprägt sind.
Die Studierenden aus Illustration Fiction und Nonfiction, Kunst & Vermittlung, Video, Spatial und Textildesign sowie Design Management haben schliesslich in Palermo je ein eigenes Projekt mit einem individuellen inhaltlichen, methodischen wie medialen Zugang zu Stadt entwickelt.
Daraus ist ein Panorama von Palermo entstanden, das von der Beobachtung des wechselvollen Licht- und Schattenspiels im Stadtraum über ritualisierte Handlungen von einheimischen wie temporären Akteur:innen bis zum Spiel mit der unverhofften wie hoffnungslosen "amore" reicht. Verstärkt in den Fokus der Studierendenarbeiten gerieten dieses Jahr die touristischen Motive und subjektiven Reisemotivationen, mal mit humorvollem, mal mit (selbst)kritischen Blick auf die eigene wie fremde Wahrnehmung: Hier mag aktuell auch eine gewisse 'postpandemische' Perspektive auf das Unterwegssein mitspielen: Da projizieren Tourist:innen ihre eigenen Geschichten in Denkmalfiguren hinein, reisen Studierende virtuell mit Familienmitgliedern durch die Palermo oder verpassen Textilien mit sizilianischen Souvenir-Motiven einen aktuellen urbanen Look. Das Anekdotische spielt gerade beim Reisen, aber auch beim Nacherzählen des Erlebten zu Hause eine zentrale Rolle: So werden flüchtige, simultane Aufzeichnungen von fast unscheinbaren Situationen zu überraschenden 'Sketches' verdichtet, Palermos Graffiti-Wände durch Stimmen aus dem Quartier zum Sprechen gebracht oder Strassenmusiker und singende Marktverkäuferinnen mit Alltagsgeräuschen zu einer eigenen Soundscape verwoben. Wer die facettenreiche Dynamik dieser sizilianischen Stadt (kurzw)eilig und ohne müde Füsse erleben will, lässt sich auf einen 30minütigen Stopmotion-Walk mitnehmen. So viele Reisende, so viele Gesichter hat die Stadt, aber auch das Selbstverständnis und Konzept vom Reisen könnte nicht unterschiedlicher sein, wie eine Reportage kritisch reflektiert. Reisen heisst, unsere Wahrnehmung in Bewegung zu bringen - das ist auch den Besucher:innen der Ausstellung zu wünschen.